Asbest an Bord: Online-Konferenz zeigt Handlungsbedarf

Fast 200 Teilnehmende erlebten die Online-Branchenkonferenz Seeschifffahrt der BG Verkehr zum Thema "Asbest an Bord – Was tun?". Beiträge von Experten verschiedener Fachrichtungen zeigen: Bei Asbestfunden muss der Reeder sofort handeln. Aussitzen ist keine Option.

Für betroffene Reeder und ihre Besatzungen ist es eine unangenehme Überraschung: Beispielsweise bei der Erstellung eines Gefahrstoffinventars für ein Seeschiff im Rahmen der EU-Schiffsrecycling-Verordnung werden asbesthaltige Materialien gefunden. Keineswegs ein seltenes Ereignis, wie die Teilnehmenden an der ersten Online-Branchenkonferenz der BG Verkehr erfuhren. Nach Zahlen der Klassifikationsgesellschaft DNV-GL wurden bei der Erstellung von Gefahrstoffinventaren auf 36 Prozent der betrachteten 252 Schiffe asbesthaltige Materialien festgestellt.

Häufige Fundorte von Asbest oder asbesthaltigen Materialen an Bord sind Isolierungen, Dichtungsmaterialien, Kabeldurchführungen sowie Wand- und Deckenverkleidungen. Leider kommen solche Funde des in Deutschland und der EU verbotenen Materials auch auf neueren Schiffen vor, denen die Bauwerften Asbestfreiheit bescheinigen. Asbestfreiheitsbescheinigungen, so das Urteil der Experten, sind mit Vorsicht zu genießen, weil in vielen Ländern Asbest in Produkten noch verwendet und nicht deklariert wird. Zum Teil ist nicht bekannt, in welchen Produkten noch Asbest vorhanden ist. Und mitunter werden Asbestfreiheitsbescheinigungen ohne vorherige Prüfung erstellt.

Die Experten rieten den Reedern, auch beim Einkauf von Ersatzteilen auf Asbestfreiheit zu achten. Oft sind die Quellen der Ersatzteile unklar, so dass Schiffe, die bereits asbestfrei unterwegs waren, rekontaminiert werden können.

Wird trotz aller Bemühungen Asbest an Bord entdeckt oder entsteht der konkrete Verdacht, kommt auf den betroffenen Reeder eine Reihe von Verpflichtungen zu. Erster Schritt ist eine Gefährdungsbeurteilung, die vom Reeder veranlasst werden muss und bei der gegebenenfalls externe Sachverständige und akkreditierte Prüflabore zu beteiligen sind. Vom Ergebnis hängt ab, ob eine Sanierung notwendig ist, und mit welcher Dringlichkeit diese vorgenommen werden muss. Die BG Verkehr hat die Handlungspflichten der Reeder in einem Papier zusammengefasst, das Betroffenen zur Verfügung steht.

Fazit der Konferenz: Nur in wenigen Fällen ist schwach gebundener Asbest so auf Schiffen verbaut, dass eine permanente Freisetzung von Asbestfasern erfolgt. Besonders gefährlich wird es für Seeleute dann, wenn bei Instandsetzungsarbeiten unbeabsichtigt Asbestfasern freigesetzt werden. Asbestbedingte Erkrankungen wie Asbestose, Lungenkrebs oder Mesotheliom können die Folge sein. Ein sorgfältig ermitteltes Gefahrstoffinventar ist eine gute Grundlage für die Gefährdungsbeurteilung nach der Gefahrstoffverordnung. Wichtig ist, dass die Verantwortlichen aus Reedereien nicht nur die Anforderungen aus dem SOLAS-Übereinkommen erfüllen, sondern frühzeitig auch die Vorgaben des Gefahrstoffrechtes berücksichtigen. Dieses Vorgehen, eine entsprechende Festlegung des Sanierungsbedarfes und deren Dringlichkeit sowie die Durchführung von Sanierungsarbeiten durch Fachbetriebe senken die Gefährdung und den erforderlichen Aufwand deutlich. Asbestfreiheitsbescheinigungen sollten besonders an neuralgischen Stellen im Schiff durch Sichtkontrollen und Beprobungen geprüft werden.