Visum für Nicht-EU-Seeleute bei Offshore-Arbeiten

Seeleute aus Nicht-EU-Staaten benötigen ein Schengen-Visum, wenn sie auf einem Schiff arbeiten, das Offshore-Arbeiten im deutschen Küstenmeer durchführt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil festgestellt. Betroffen waren ukrainische Seeleute auf einem unter Panama-Flagge fahrenden Offshore-Supply-Schiff. (17.08.2021)

Im Herbst 2017 war das unter Panama-Flagge fahrende Offshore-Supply-Schiff "Atlantic Tonjer" für Arbeiten zur Errichtung eines Offshore-Windparks im deutschen Küstenmeer, also innerhalb der 12-Seemeilen-Zone, eingesetzt worden. Bei einer Kontrolle stellte die Bundespolizei fest, dass die an Bord arbeitenden ukrainische Seeleute kein Schengen-Visum besaßen. Die Bundespolizei forderte die Seeleute daraufhin zur Ausreise auf.

Windpark Areva Multibrid_jan OelkerDas Verwaltungsgericht Schleswig hatte in seinem Urteil vom 20. Februar 2019 zunächst festgestellt, dass die Ausreiseverfügung rechtswidrig gewesen sei, da die Seeleute für ihre Arbeit an Bord kein Schengen-Visum der Kategorie "C" benötigen würden. Die Seeleute hätten nicht in das Bundesgebiet einreisen wollen, so dass nach § 26 Absatz 1 Aufenthaltsverordnung kein sog. Aufenthaltstitel (Visum o. a.) notwendig sei.

Das Bundesverwaltungsgericht stellt nun in seinem Urteil vom 27. April 2021 fest, dass Nicht-EU-Seeleute auch dann ein Schengen-Visum der Kategorie "C" benötigen, wenn sie an Bord eines Seeschiffes arbeiten, das Offshore-Arbeiten im deutschen Küstenmeer durchführt. Seeleute auf Seeschiffen in deutschen Seegewässern benötigten nur dann keinen Aufenthaltstitel, wenn ihr Schiff Waren und Personen im Transitverkehr beförderten. Ein solcher Fall der "friedlichen Durchfahrt" nach Artikel 17 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen liege bei Offshore-Arbeiten durch ein Seeschiff im Küstenmeer nicht vor. Die Durchfahrt nach dem Seerechtsübereinkommen schließe zwar das Anhalten und Ankern mit ein, aber nur soweit, als dies zur "normalen" Schifffahrt gehöre oder infolge Gewalts, eines Notfalls oder zur Hilfestellung für Personen oder andere Schiffe erforderlich sei. Im Küstenmeer gelte das Flaggenstaatsprinzip bis auf wenige Ausnahmen – darunter das Recht der friedlichen Durchfahrt – nicht.

Im vorliegenden Fall des 81m langen Offshore-Supply-Schiffes hätten daher die ukrainischen Seeleute ein Visum "zum Zweck der Erwerbstätigkeit" benötigt. Zwei der drei Kläger hatten ein von den Niederlanden und Litauen ausgestelltes Schengen-Visum; dies reiche aber nicht aus, so das Bundesverwaltungsgericht. Ein deutsches Schengen-Visum der Kategorie C beinhalte dagegen neben dem Aufenthaltsrecht auch das hier erforderliche Recht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit.

Das Bundesverwaltungsgericht hat zudem deutlich gemacht, dass die Ausnahmevorschrift des § 26 Aufenthaltsverordnung, nach der in bestimmten Konstellationen kein Aufenthaltstitel erforderlich ist, hier nicht anzuwenden sei. Diese Vorschrift sei für den grenzüberschreitenden Durchgangs- und Transitverkehr gedacht, nicht jedoch bei einem längeren Aufenthalt für Offshore-Arbeiten auf einem Seeschiff im deutschen Küstenmeer.

Für die Praxis ist zu beachten, dass sich das Gerichtsurteil auf eine Fallkonstellation im deutschen Küstenmeer bezieht. Die meisten deutschen Offshore-Windparks stehen aber außerhalb der 12-Seemeilen-Zone in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ).